30. April 2012

Mit diesem Blog-Eintrag geht der Erinnerungsort "Englischer Garten München" online, und das ist ein guter Anlass, einmal ein urdeutsches Thema anzusprechen: den Regionalismus. So langsam könnte nämlich ein kritischer Leser (und wir hoffen sehr, dass unsere Leser kritisch sind!) einen gewissen Hang zum Bajuwarischen wittern: Englischer Garten, Nationalpark Bayerischer Wald, Wackersdorf, Zugspitze, dazu auch noch dieser hochmütige Beitrag über den original bayerischen Biergarten – der Freistaat kann sich gewiss nicht über mangelnde Beachtung beklagen.

Natürlich könnte sich der Chronist jetzt billig herausreden: kein waschechter Bayer, eigentlich gar kein Bayer, sondern vielmehr gebürtiger Westfale, den es erst weit jenseits der dreißig in das Land der begrenzten Unmöglichkeiten verschlug. Aber sind nicht gerade die Zugereisten oft jene, die sich durch besonders eifrige Imitation lokaler Gepflogenheiten zu integrieren suchen? Andererseits wäre es auch ein wenig seltsam, in einem solchen Projekt krampfhaft auf geographische Balance zu achten. Eine solide Verankerung in der eigenen regionalen Umwelt ist für einen ökologisch bewegten Menschen ja durchaus kein Makel.

Das Problem ist vielleicht eher, dass der Regionalismus allzu leicht im Klischee endet. Sturmflut an der Nordseeküste, Heidelandschaften in der norddeutschen Tiefebene (gleich zweimal bei Worpswede und der Lüneburger Heide), der romantische Rhein – das wirkt ein wenig wie Generalinventur im Gemütshaushalt des deutschen Michel. Und wo bei manchen Regionen die Betulichkeit grüßt, wehren sich andere gegen ein Katastrophen-Image. Als wir einmal in größeren Kreis die Liste der Erinnerungsorte diskutierten, monierte eine gebürtige Sächsin, dass die DDR nur mit Orten der Verschmutzung vorkäme. Das ließ sich mit dem Grünen Band und der Ost-Berliner Umweltbibliothek ein wenig kompensieren – aber Bitterfeld und die Wismut sind weiterhin auf unserer Liste.

Vielleicht wäre es aber auch zuviel verlangt, dass ein nationalhistorisches Projekt den Regionen Genüge tut. Alle hier aufgeführten Erinnerungsorte sollen schließlich eine überregionale Signifikanz besitzen; da sind Ereignisse von geographisch begrenzter Ausstrahlung qua Definition außen vor. Außerdem weiß der Projektleiter aus eigener Erfahrung, dass die Berücksichtigung regionaler Vielfalt wiederum ganz eigene Tücken hat. Vor acht Jahren brachte er ein kleines Buch heraus, dass anhand von acht Fallstudien eine Umweltgeschichte Nordrhein-Westfalens nach 1945 zu skizzieren suchte – und auch das war dann im Endeffekt wiederum hoffnungslos lückenhaft. Es erinnert ein wenig ans Mikroskopieren: Die enorme Vergrößerung führt zu immer neuen Welten im Kleinen, bis man irgendwann bei der Dorflinde ankommt.

Das Problem ließe sich also prima auf einer allgemeinen Ebene reflektieren, etwa in einem Beitrag über den Erinnerungsort Heimat. Aber dafür muss der erst einmal bei der Abstimmung ordentlich abschneiden.

Und falls Sie es mit den Bayern so ganz und gar nicht leiden können: Die zur Abstimmung stehenden Erinnerungsorte Bußwallfahrt zur Mutter Gottes und Leonardi-Segnung haben beide einen bajuwarischen Einschlag.