10. Mai 2012

In dieser Woche sendete SWR 2 ein ausführliches Studiogespräch, in dem ich mit zwei weiteren Experten über "braune Ökologen" diskutieren durfte.[1] Es war ein anregendes Gespräch über ein wichtiges Thema, denn welchen umweltbewegten Menschen dürfte es kalt lassen, dass Rechtsextreme sich auf einschlägigen Demonstrationen oder im Ökolandbau tummeln. Und doch ging der Fachhistoriker mit einem ernüchterten Gefühl aus der Diskussion: Der Mythos der "grünen Nazis" lebt anscheinend immer noch, trotz jahrzehntelanger Forschung, die die einschlägigen Topoi gründlich auseinander genommen hat. Und das bei Leuten, die die Literatur eigentlich kennen sollte. Seufz.

Spontan kam mir die Idee, eine neue Rubrik in die digitalen Erinnerungsorte einzuführen: "hartlebige Legenden". Das Dumme ist nur, dass derlei dem Grundgedanken der Erinnerungsorte entgegenlaufen würde. Hier geht es schließlich um Erinnerungsstränge, so wie sie existieren, mit all ihren Irrtümern und Verzerrungen. Mythen-Bashing ist nicht die Kernaufgabe der Erinnerungsorte; sie versuchen es subtiler, mit historischer Aufklärung über die realen Zusammenhänge.

Damit das deutlicher wird, habe ich heute den Eintrag zum Reichsnaturschutzgesetz um einen Punkt ergänzt, der die Legende der "Grünen Nazis" explizit thematisiert. Wer den Rest des Beitrags liest, ahnt allerdings, dass die Legende wohl weiterleben wird. Sie erfüllt halt soziale Funktionen: Sie liefert Öko-Kritikern eine Steilvorlage – und andere können sich auf diesem Wege bequem von ihrer Väter-Generation in Naturschutz und Landschaftspflege abgrenzen. Eine Erfahrung, die dem Zeithistoriker leider nur zu bekannt vorkommt: Wenn Geschichte zum Argument wird, steht die Fachwissenschaft mit ihren Fußnoten nun einmal regelmäßig auf verlorenem Posten. Und dann fantasiert der Historiker am Ende darüber, dass er jetzt eigentlich gerne Strafarbeiten verteilen würde. Nach der Methode: "Ihr schreibt jetzt hundertmal: 'Die grünen Nazis gab es nicht, gab es nicht, gab es nicht...'"