19. Juli 2013

Der zweite Band der Reihe "Umwelt und Erinnerung" geht online: Thomas Ebert diskutiert die Zugspitze als ökologischen Erinnerungsort. Ebenso wie Waltenberger geht diese Magisterarbeit auf mein Hauptseminar "Ökologische Erinnerungsorte" im Wintersemester 2009/10 zurück – ein kleiner Hinweis, wie wichtig Studierende für dieses Projekt waren und sind. Zugleich ist es ebenfalls eine Arbeit mit bayerischem Einschlag – obwohl man natürlich genau genommen darauf hinweisen muss, dass Deutschland die Zugspitze mit Österreich teilt. Und wiederum unternimmt der Verfasser ein methodisches Experiment, hier mit der Metapher der "Gedächtnisgrate". Das ist ein riskantes Unterfangen, zumal in einer Magisterarbeit – aber zugleich erfreulich, wird doch immer deutlicher, dass die ökologischen Erinnerungsorte gewisse methodisch-theoretische Adaptionen erfordern.

Und noch eine Parallele: Ähnlich wie bei Kneipp gibt es auch bei der Zugspitze keinen Mangel an Literatur – aber sehr wohl einen Mangel an kritischer Literatur mit wissenschaftlichem Anspruch. Das Thema lädt zur Mythenbildung ein, zu Anekdoten, die ein Autor vom anderen abschreibt – da ist die klassische Kleinarbeit des Wissenschaftlers gefordert, langweilig, aber unverzichtbar. Ein zweites Mal zeigt sich, wie diese Reihe Forschungslücken der Umweltgeschichte schließt und das umwelthistorisch kartierte Terrain um eine Parzelle erweitert.

Deshalb noch einmal die Aufforderung: Wenn Sie ein unveröffentlichtes Manuskript besitzen, das ein umwelthistorisches Thema (breit verstanden) diskutiert – lassen Sie es uns wissen.

 

 

15. Mai 2013

Ein neuer, unerwarteter Trend zeichnet sich ab: Nachwuchsforscher melden sich und bieten an, Beiträge über ihre eigenen Forschungsfelder zu schreiben. Aktuell stehen zwei solcher Erinnerungsorte online: Christian Zumbrägel über das Mühlrad und Christian Lotz über die Entgrenzungen des Holzhandels. Man kann sich über solche Initiativen als Leiter eigentlich nur freuen: Die Beiträge sind bestens durchdacht und bieten laufenden Forschungen ein Forum. Wer mal für einen Aufsatzband Beiträge erbettelt hat, weiß es zu schätzen, wenn solche Dinge quasi automatisch gehen.

Und doch ist da ein Punkt, der mich etwas zögern ließ. Eigentlich ist unsere Liste der Erinnerungsorte ja das Ergebnis ausführlicher interner Debatten, in denen relative Bedeutung, mögliche Alternativen und thematische, geographische und chronologische Balance intensiv erörtert werden. Diesen Prozess umgehen Vorschläge von Nachwuchsforschern zwangsläufig; man kann allenfalls darüber diskutieren, welche Formulierung den Erinnerungsort am besten erschließt (eine Diskussion, die mit beiden Autoren geführt wurde). Allerdings sagt es auch schon etwas über die Signifikanz eines Themas aus, wenn sich ein Mensch dazu durchringt, mehrere Jahre unendlich kostbarer Lebenszeit in dessen Analyse zu investieren.

Dennoch: Auf Dauer könnten Erinnerungsorte mit solcher Genese zu einer gewissen thematischen Schieflage führen. Aber bei bislang zwei einschlägigen Beiträgen sind solche Sorgen doch etwas voreilig. Außerdem bereichern Zumbrägel und Lotz die Vielfalt, die uns bei den Erinnerungsorten am Herzen liegt. Von daher: vielen Dank, liebe Kollegen!

 

 

18. März 2013

Heute geht der erste Band unserer Buchreihe "Umwelt und Erinnerung" online: Sarah Waltenbergers Magisterarbeit über Sebastian Kneipp. Lange Erläuterungen sind an dieser Stelle entbehrlich, denn der Band enthält ein ausführliches Vorwort, das Ziele und Leitgedanken der Reihe erläutert. Hier sei nur angefügt, dass man sich nur wundern kann, dass hier tatsächlich noch eine Forschungslücke klaffte – Kneipp ist nun wirklich bestens bekannt. Aber wenn man die heroisierende Literatur beiseite schiebt, bleibt nicht sehr viel übrig. Das ist bezeichnend für den Forschungsstand in der Umweltgeschichte, wo wir zu etlichen wichtigen Themen noch kaum Literatur haben. Und es ist ein guter Grund, solche Arbeiten zu veröffentlichen.

So sei denn hier der versteckte "Call for Submissions" des Vorwortes expliziert: Wer Qualifikationsschriften oder sonstige wissenschaftliche Manuskripte zu einem umwelthistorischen Thema besitzt, die sich für eine Veröffentlichung eignen, ist hiermit aufgefordert, sich mit dem Leiter dieses Projekts in Verbindung zu setzen. Diverse persönliche Erfahrungen geben Anlass zu der Vermutung, dass in deutschen Dekanaten eine ganze Reihe von Magisterarbeiten lagern, die Archivmaterial erschließen, das zuvor kein Historiker gesehen hatte. Solche Arbeiten wird der hiesige Autor mit Interesse lesen und in die Reihe aufnehmen.

 

17. Februar 2013

Man kann sich als Projektleiter kaum etwas Schöneres vorstellen als lange, detailgesättigte Kommentare. Ein solcher erreicht mich von Hermann Müller. Er sei hier, auch um Nachahmer zu animieren, vollständig zitiert:

Ihre Seite ist wichtig und höchst erfreulich, sozusagen überfällig. Da uns ein Gedächtnis zumal der frühen pionierhaften ökologischen Bewegungen fast vollständig fehlt. Weil die einsamen Vorkämpfer nicht beachtet, lächerlich gemacht oder gar verfolgt wurden.

Umso mehr wundert es mich, dass unter Ihren Erinnerungsorten der symbolische Hauptort dieser Aufbrüche bisher nicht erscheint - der Monte Verità von Ascona. Noch verwunderlicher, weil die Gründung dieser utopischen Siedlung von München ausging und auch auf München zurückgewirkt hat - wie vor wenigen Jahren die Ausstellung der Monacensia über Schwabing und Ascona gezeigt hat. Ich will dazu nicht viele Worte verlieren, verweise nur auf den Ausstellungskatalog von Harald Szeemann von 1978, auf das brillante Buch von Martin Green:'Mountain of Truth. The Counterculture begins, Ascona, 1900-1920'. Hanover and London, 1986. Und auf die Webseite www.gusto-graeser.info.

Ascona-MV ist nicht der einzige Ort, der hier in Frage käme. Ich denke an die Waldsiedlung Grünhorst bei Berlin, eine Landkommune, die 1930 von der Gusto Gräser-Tochter Gertrud gegründet wurde und die zu einem Treff- und Sammelpunkt grün-alternativer Gruppen in der Weimarer Republik wurde. Ein Treffpunkt nicht nur der Jugend- und Reformbewegung, auch der Biosophischen Bewegung um Ernst Fuhrmann. Zu ihr gehörten neben den Gräserfreunden Schriftsteller wie Franz Jung, Hugo Hertwig, Karl Otto Paetel und andere, Zeitschriften wie DER STROM, GEGNER, DER DOM. Diese ökologische Avantgarde wurde 1933 ausgelöscht. Die meisten gingen ins Exil, andere wurden hingerichtet. Grünhorst wurde 1936 niedergebrannt.

Wenn nicht nur an konkrete Orte, auch an symbolhafte Menschen wie Kneipp gedacht wird, dann wäre sicher Gusto Gräser, der Mitgründer und Geistgeber des Monte Verità, an erster Stelle zu nennen. Gräser hat vielerlei Initiativen angeregt und ermutigt. Er war der ökologisch-alternative Wanderredner, vergleichbar einem John Muir oder Thoreau. Der Wald, die Zerstörung des Waldes und der Natur überhaupt sein dichterisches Hauptthema. Gräser hat keine Organisation gegründet,kein praktisches Unternehmen gestartet, er wirkte durch das lebendige Wort und viel mehr noch durch sein Beispiel. Seine rübezahlähnliche Gewandung war keine Marotte sondern demonstrative Erinnerung an Wald, Wildnis, Natur. Er machte sich zum Symbol. Dass er als solches auch verstanden wurde, hat z. B. Alwin Seifert schon in den Dreissigerjahren bezeugt. Nicht zu reden von seiner Wirkung auf Hermann Hesse, Gerhart Hauptmann, Johannes Schlaf, Otto Gross, Oskar Maria Graf, Erich Mühsam, Gustav Landauer und viele andere.

Man müsste auch an Karl Wilhelm Diefenbach erinnern, der 1882 vom Hohenpeissenberg in Obb. sein Natur-Manifest erliess. Auch ein Erinnerungsort, ebenso wie der Steinbruch von Höllriegelskreuth oder seine Landkommune HIMMELHOF bei Wien.

Und noch einmal Monte Verità, wo 1978 nicht nur die große Ausstellung von Szeemann stattfand - praktisch eine archäologische Ausgrabung der frühen Alternativbewegung - auch ein Erinnerungsfest um Gräsers Grotte im Wald von Arcegno, zu dem mehr als tausend junge Menschen kamen - ein stilleres, weil weniger kommerzielles, dafür umso mehr ökologisches und spirituelles "Woodstock" - zu dem die Aktiven kamen aus Landkommunen und Bioläden, um zu musizieren und zu tanzen und in Arbeitsgruppen die Gründung einer grünen Partei zu besprechen. Zu deren Gründern gehörte dann ein Schwiegersohn von Gusto Gräser - als lebendiges Verbindungsglied zwischen alter und neuer Ökologiebewegung.

Beim Blick in unsere internen Materialien fiel mir auf, dass der Monte Verità tatsächlich schon auf einer der Vorschlagslisten stand, über die wir uns in wechselnder Besetzung immer wieder austauschen. Irgendwie bekamen letztlich andere Erinnerungsorte den Vorzug - aber das muss ja nicht das letzte Wort sein. Seit heute steht jedenfalls der Erinnerungsort Monte Verità zur Abstimmung. Man darf gespannt sein, wie er sich schlägt.

 

8. November 2012

Bislang dachte ich, dass wir mit unserem Erinnerungsort-Projekt im Internet allein auf weiter Flur seien. Heute sehe ich jedoch, dass auch die Sozialdemokratie pünktlich zum 150jährigen Jubiläum im kommenden Jahr ein solches Projekt online stehen hat. Ich erfahre dies, weil mich deren Organisatoren heute gebeten haben, einen Beitrag zu verfassen. Angeregtes Thema: der blaue Himmel über der Ruhr. Bingo, sagt da der Chronist der Erinnerungsorte. Wer sich in langen Diskussionen mit dem Problem der Auswahl herumschlagen muss und immer wieder merkt, wie anfechtbar jede Entscheidung letztlich ist, registriert mit tiefer Dankbarkeit, wenn andere die gleiche Wahl treffen.

Natürlich könnte ich bei der Gelegenheit ein wenig ablästern. Man kennt das ja: Erst kommen die Grünen, dann die Sozialdemokraten. Tatsächlich gemahnen jedoch nicht nur freundschaftliche Bande zur Zurückhaltung. Man kann die beiden Projekte nämlich mit Gewinn vergleichen. Das beginnt schon bei der Chronik, mit der die Erinnerungsorte der Sozialdemokratie ihre Inhalte erschließen. Derlei haben wir nicht, denn wir haben keine Meistererzählung, so wie sie die SPD als Organisation kennt. Zu runden Jubiläen wird diese Erzählung natürlich besonders gerne aufpoliert.

Da sind die ökologischen Erinnerungsorte freier, haben sie sich doch ganz bewusst das Ziel gesetzt, über die Erzählung der Aktiven hinauszuweisen. Die ökologischen Erinnerungsorte sind mehr als die Erinnerungsorte der Umweltbewegung – obwohl beides natürlich eng miteinander zusammenhängt. Das macht unser Projekt freilich auch unschärfer und diskussionsbedürftiger.

Das nutze ich als günstige Gelegenheit, auf eine neue Seite dieses Projekts hinzuweisen. Seit kurzem haben wir alle Abstimmungen über künftige Erinnerungsorte auf einer Seite versammelt. Das wird hoffentlich das Interesse an der Weiterentwicklung des Projekts beflügeln. Wie heißt es im Wahlkampf immer so schön: Jede Stimme zählt.

 

26. Oktober 2012

Als ich im Juli in meinem Oberseminar vortrug, schaute ich mir zur Vorbereitung die Ergebnisse der Abstimmungen über unsere Erinnerungsorte an. Mit Freude stellte ich dabei fest, dass die große Mehrzahl unserer Erinnerungsorte tatsächlich als solche anerkannt wurde. Nur bei vier Erinnerungsorten überwog die Zahl der Negativvoten. Interessant war jedoch, dass zwei dieser Erinnerungsorte in Ostddeutschland langen: die Ost-Berliner Umweltbibliothek und der Freiberger Hüttenrauch. Im letzteren Fall mag man diskutieren, ob es nicht auch andere Gründe gab. Der Freiberger Hüttenrauch ist schließlich längst ein Problem der Vergangenheit, und seine Wahl war wohl auch ein wenig der privaten Obsession des Projektleiters geschuldet, der seine Promotion über Luftverschmutzungsprobleme schrieb. Aber bei der Umweltbibliothek kann man schon stutzen: Sie ist der ikonische Ort schlechthin des ostdeutschen Umweltprotests, der bekanntlich einen wesentlichen Beitrag zum Sturz des SED-Regimes leistete und damit wiederum die Wiedervereinigung ermöglichte. Ein Ort mithin, der nicht nur Umweltgeschichte, sondern auch deutsche Geschichte schrieb. Und dann gibt es keine Mehrheit, die den Ort als erinnerungswürdig einstuft?

Schlaglichtartig beleuchtet das Votum eine unbequeme Tatsache: Unser Denken über Umweltfragen ist immer noch stark von Traditionen der alten Bundesrepublik geprägt. In meinem jüngsten Buch habe ich über die Ursachen spekuliert: DDR-Traditionen hatten es im Zuge der Wiedervereinigung stets schwer, aber bei der Umweltbewegung kam erschwerend hinzu, dass die bundesdeutsche Umweltbewegung am Ende der achtziger Jahre ein Selbstbewusstsein in Überbreite besaß. Da blieb halt nicht viel mehr übrig.

All das ist wohlgemerkt nur eine Beobachtung und keine Bewertung. Erinnerungsstränge sind nun einmal kein Wunschkonzert. Vielleicht hätte es der deutschen Umweltbewegung durchaus genützt, stärker auf die ostdeutschen Brüder und Schwestern zu hören, so etwa beim Naturschutz. Vielleicht sind das aber auch Spekulationen im luftleeren Raum. Festzuhalten ist: Wenn es um die ökologische Erinnerung geht, scheint Deutschland immer noch ein geteiltes Land zu sein.

Vor wenigen Tagen ist der Erinnerungsort SAG/SDAG Wismut online gegangen. Auch hier ist die geteilte Erinnerung zu spüren: In der bundesdeutschen Atomdebatte kam nur ganz am Rande vor, dass Deutschland auch ein wichtiges Förderland für Uran war. Stattdessen redete man lieber über Gorleben und den GAU. Auch wichtige Themen – aber die strahlenden Altlasten in Ostdeutschland werden auch dann noch existieren, wenn der Gau als Erinnerungsort längst verblasst ist.

Von daher werde ich mit besonderem Interesse verfolgen, wie sich die Abstimmung bei der Wismut so entwickelt.

 

 

31. August 2012

Habemus Logo! Seit wenigen Tagen besitzt unser Projekt ein Logo, das den Besucher von nun an in der Titelzeile und am Fuß jeder Seite begrüßt. Und welches Tier könnte ein Erinnerungsprojekt besser profilieren als ein Eichhörnchen. Das Überleben des Eichhörnchens im Winter hängt schließlich an der Erinnerung – nämlich dem Wissen darum, wo die Vorräte vergraben wurden. Und weil das nicht immer reibungslos klappt, wachsen aus den Vorräten neue Pflanzen. Kann es eine bessere Metapher für die verschlungenen Wege der Erinnerung geben?

Natürlich bedurfte es zahlloser Meetings und gründlicher Studien in Fokusgruppen, um auf einen solchen Einfall zu kommen. Oder jedenfalls werden wir so tun. Tatsächlich war es so, dass wir das Thema in fröhlicher Runde im Biergarten diskutierten, und irgendwann sagte Claudia Köpfer: "Da ist ein Eichhörnchen." So einfach geht das.

Ein bisschen Arbeit war es dann doch noch, insbesondere für den Designer Stefan Zinsbacher, der die Idee in eine grafisch ansprechende Lösung übersetzte. Dafür auf diesem Wege vielen Dank!

Natürlich provoziert ein solches Logo spitzfindige Fragen. So könnten uns biologisch versierte Kollegen mit der Frage konfrontieren, ob es sich denn um ein europäisches oder ein nordamerikanisches Eichhörnchen handelt. Wir werden es weise lächelnd als Hinweis auf die prekäre Bedeutung des Nationalen in der Umweltgeschichte verbuchen. Vielleicht wird auch jemand darauf hinweisen, dass das Eichhörnchen in Deutschland nicht auf der Roten Liste steht. Aber das passt ja irgendwie – auch die ökologischen Erinnerungen sind in Deutschland gewiss nicht vom Aussterben bedroht. Und, bevor Sie jetzt anfangen, über die Farbe braun zu räsonieren: Nach gängiger biologischer Meinung ist das europäische Eichhörnchen rot.

All das soll Sie natürlich nicht entmutigen, nach weiteren Dimensionen der Bedeutung zu fahnden, an die wir noch nicht gedacht haben. Wir sind sehr gespannt! Bis dahin halten wir es mit unserem neuen Wappentier: Wir sammeln einfach weiter.

 

16. Juli 2012

Heute präsentierte ich das Erinnerungsorte-Projekt in der letzten Sitzung des Oberseminars, das ich im gerade auslaufenden Sommersemester im Rahmen einer Vertretungsprofessur an der Ludwig-Maximilians-Universität abgehalten habe. Wobei "präsentieren" vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist, denn ein erheblicher Teil der Anwesenden arbeitet seit längerem in diesem Projekt. Deshalb legte ich den Akzent auf die Perspektiven für die Weiterentwicklung und dabei speziell auf Wege zu globalen ökologischen Erinnerungsorten. Von Anfang an war es schließlich Ziel dieses Projekts, über eine nationalstaatlich konturierte Sicht hinaus zu gelangen. Nur ist der Ruf nach transnationalen Erinnerungsorten leichter zu erheben als einzulösen, schließlich fehlt es an einer globalen Diskursgemeinschaft, die einen Rahmen in Analogie zum Nationalstaat bieten würde. So stehe ich ein wenig vor dem Projekt der globalen Erinnerungsorte wie der Fuchs in Äsops Fabel vor der Höhle des kranken Löwen: Vestigia terrent.

Dabei war ich vor ein paar Monaten schon einmal kurz davor, einen mutigen Schritt in dieser Richtung zu gehen. Ich hatte ein Website-Projekt skizziert, das ganz auf Interaktion setzte: Statt selbst eine Liste vorzugeben, sollten Besucher über Vorschläge abstimmen sollen. Allerdings ist es Usus in diesem Projekt, alle Schritte zunächst im Team zu diskutieren, und da kamen die Kollegen, als Studierende weitaus internet-versierter als ich, zu einem einhelligen Ergebnis: So läuft das nicht. Denk Dir was Besseres aus.

So lief es auch heute im Oberseminar. Mein neuer Vorschlag zu den globalen Erinnerungsorten wurde von einem Teilnehmer (Name ist der Redaktion bekannt) rundum als unmöglich abgelehnt. Und das war dummerweise jemand, der so richtig tief in der Materie drin steckt. Aber, immerhin: Nur ein Teilnehmer äußerte sich so, andere klangen ermutigender. Vielleicht bin ich ja doch auf einem guten Weg.

Über meinen Vorschlag zu globalen Erinnerungsorten ein andermal mehr. Hier sei vielmehr ein lobendes Wort über die wunderbaren Mitarbeiter ausgesprochen, die dieses Projekt begleiten, kommentieren und manchmal halt auch verreißen. Wie jeder Mensch freue ich mich über freundliche Worte, aber in der Wissenschaft kommt man meistens mit Kritik weiter – zumal man bei Kritik sehr schnell merkt, was jemand tatsächlich drauf hat. Am Ende haben wir dann die Diskussion auch nicht einfach beendet, sondern verlagert – zum Chinesischen Turm, wo gleich zwei Erinnerungsorte lockten: Biergarten im Englischen Garten. Die Einladung hatten sich die Leute nämlich so richtig verdient.