Kapitelübersicht - Geschützte Natur - Tierquälerei

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Tierquälerei    

Wege der Erinnerung

  1. Vorgeschichte
  2. Vom rohen Menschen
  3. Die Vivisektionsfrage
  4. Tiere essen und Vegetarismus
  5. Das Schächten
  6. Vom Tierschutz zum Schutz einzelner Tierarten
  7. Die Massentierhaltung
  8. PETA und die Tierquälerei als Medienphänomen

 

Verwandte Themen

Vegetarismus, Hagenbecks Tierpark, Schützt die Vögel!, Bernhard Grzimek

 

Literatur

Dorothee Brantz, Stunning Bodies: Animal Slaughter, Judaism and the Meaning of Humanity in Imperial Germany", in: Central European History 35:2 (2002), S. 167-194.

 

Pascal Eitler, Übertragungsgefahr: Zur Emotionalisierung und Verwissenschaftlichung des Mensch-Tier-Verhältnisses im deutschen Kaiserreich, in: Uffa Jensen, Daniel Morat (Hg.), Rationalisierungen des Gefühls. Zum Verhältnis von Wissenschaft und Emotionen 1880-1930. München 2008, S. 171-187.

 

Manuela Linnemann (Hg.), Vegetarismus. Zur Geschichte und Zukunft einer Lebensweise. Erlangen 2001; Heinz Meyer, 19/20 Jahrhundert, in: Peter Dinzelbacher (Hg.), Mensch und Tier in der Geschichte Europas. Stuttgart 2000, S. 404-568.

 

Miriam Zerbel, Tierschutz im Kaiserreich. Ein Beitrag zur Geschichte des Vereinswesens. Frankfurt 1993.

 

Fußnoten

 
 

Bildnachweis

Dieses Bild eines unbekannten Künstlers entstand um 1830. Es zeigt das sogenannte "Bull-Baiting", bei dem zur Ergötzung des Publikums blutrünstige Hunde auf einen Bullen gehetzt werden. Man beachte die Frau, die samt ihren Einkäufen über den Haufen gerannt wird.

Die Haltung zum Tier ist eine der Hauptkomponenten der moralischen Perspektive der modernen Gesellschaft. Sie dient als Maßstab zur Vermessung des Sittlichkeitsgrades einzelner Personen oder sozialer Gruppen, deren Charakter hierdurch angepriesen bzw. angeprangert wird. Insofern ist Tierquälerei als negativer Extremfall des Umgangs mit Tieren ein Phänomen, das großes öffentliches Aufsehen erregt. Andererseits handelt es sich dabei aber um keine rein ethische Angelegenheit. Tierquälerei verfügt über politische und soziale Facetten. Ihre Wahrnehmung, nicht zuletzt in deren Thematisierung durch ihr vermeintliches Pendant, den Tierschutz, fungiert als Instrument zur Schaffung, Umgestaltung oder Aufrechterhaltung einer bestimmten gesellschaftlichen Ordnung. Einige historischen Pfade der modernen deutschen Geschichte veranschaulichen diese nicht zu unterschätzende Wirksamkeit von Konflikten um die Manifestationen tierquälerischen Verhaltens.

 

 

1. Vorgeschichte

Über die Einstellung des Menschen zum Tier wurde schon in der Antike diskutiert, und seitdem blieb das Thema ein beständiges Element innerhalb der Betrachtungen verschiedener Philosophen und Denker. Für die westliche Denktradition war insbesondere die aristotelische Weltanschauung prägend, bei der eine hierarchische Wertigkeitseinstufung zwischen Menschen und anderen Lebewesen zur Geltung kommt. Diese anthropozentrische Besinnung fand ihre schärfste Fassung bei den Schriften Réné Descartes im 17. Jahrhundert, welcher, der Logik des vom ihm vertretenen Rationalismus folgend, die seines Erachtens denkunfähigen Tiere zu seelenlosen Automaten degradierte. Dagegen fehlte es seit jeher nicht an Tierschutzgedanken. Obwohl in der Bibel der Mensch als Herr über die Tierwelt positioniert wird, findet man dort gleichzeitig die Betonung der Verantwortung und des Erbarmens, zu denen der Mensch gegenüber seinem Vieh verpflichtet sei. Den wirksamsten Ansporn zu den modernen Reflexionen über das Mensch-Tier-Verhältnis brachte allerdings die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Charles Darwin entworfene Evolutionstheorie, bei der auf eine physiologische Verwandtschaft zwischen Menschen und "niedrigeren" Kreaturen hingedeutet wird. Gerade zu dieser Zeit begann aber die moderne, durch industrielle und technologische Entwicklungen ausgeprägte menschliche Gesellschaft die Tierwelt in größerem Umfang als je zuvor zu unterwerfen. Vor diesem Zusammenhang bekamen die Tierquälerei und die Behandlung derselben eine akute Relevanz.

 

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2. Vom rohen Menschen

Laut § 360, Nr. 13 des Reichsstrafgesetzbuches (1871) des deutschen Reichs wurde aufgrund von Tierquälerei derjenige bestraft, "wer öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise die Tiere boshaft quält oder roh misshandelt". Diese Bestimmung ist bezeichnend für den frühen, sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierenden Tierschutzgedanken. Tierquälerei wurde nämlich nicht als Problem an sich aufgefasst, deren Unterbindung der Tiere wegen erwünscht war; vielmehr ging es bei der Debatte über die Tierquälerei um die Konsequenzen für die menschliche Gesellschaft. Tiermisshandlungen, eingeschränkt auf das „unnötige" und „unvernünftige" Quälen des Tieres, betrachtete man als Aktionen, die zur Verrohung des zivilisierten Menschen und zur Verletzung der Sittlichkeit der Gesellschaft und des Volkes führt. Dem Motto "Tiere schützen heißt Menschen nützen" getreu, kümmerten sich die ersten Tierschutzvereine in Deutschland um "schauderhafte", besonders in der öffentlichen Sphäre zugetragene Vorfälle, die aufgrund ihrer grausamen Durchführungsweise als schädlich für die delikaten Empfindlichkeiten kultivierter Personen vorgestellt wurden. Als Paradebeispiele sind hier Hahnenkämpfe oder Hundehetzen zu nennen. Hierbei spielte der Stereotyp des "rohen Kutschers" eine Hauptrolle, der sein Pferd vor den Augen aller Passanten brutal peitsche und dadurch seinen philiströsen und zur blinden, instinktiven Gewalt geneigten Charakter preisgab. So betrachtet sind die Auffassungen von Tierquälerei und -schutz unverkennbar ein Teil bürgerlicher Weltanschauung mit deutlichen sozialen und politischen Obertönen.

 

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3. Die Vivisektionsfrage

Eine radikalere tierschützerische Gesinnung kam schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bei der Debatte um die Tierversuche zum Ausdruck. Im Zuge des Aufstiegs der experimentellen Physiologie vermehrten sich die durchgeführten Versuche an lebenden Tieren in Laboratorien akademischer Anstalten rasant. Dies entfachte in Deutschland in der 1870er eine rege Auseinandersetzung zwischen den "Vivisektionsbefürwörtern" und den "Vivisektionsgegnern". Letztere, unter ihnen einige prominente Personen wie z. B. Richard Wagner, vertraten eine tiefgreifendere Tierschutzidee, die über die Vermeidung "nutzloser" Tierquälerei hinausging und die kategorische Ablehnung aller Tierversuche beinhaltete. Diese radikale Einstellung stand ferner im engen Kontakt mit den zeitgenössischen Strömungen der Wissenschaftsfeindlichkeit und der lebensreformischen Naturheilkunde, welche der modernen experimentellen Medizin feindselig gegenüberstanden. Vor diesem Hintergrund erschien 1879 das für Furore sorgende Pamphlet von Ernst von Weber "Die Folterkammern der Wissenschaft". Dieses trug wesentlich dazu bei, dass die Diskussion allgemeine Beachtung gewann und als eine "offene Frage der Zeit" eingestuft wurde. Dabei trafen sich die Tierversuchsgegner in erhitzter Polemik nicht nur mit den führenden Medizinern des Zeitalters (allen voran Rudolf Virchow), von welchen sie als Fortschrittsgegner angegriffen wurden, sondern richteten sich ebenfalls gegen die traditionellen und anthropozentrisch orientierten Tierschutzvereine, eine Tatsache, die schnell eine Spaltung innerhalb der organisierten Tierschutzbewegung herbeiführte. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde mit der Idee eines Verbots von Tierversuchen gespielt (hier spielte die Person von Hermann Göring eine Hauptrolle), was jedoch ihrem sprunghaften Anwachsen zwischen 1940 und 1970 keinen Abbruch tat. Gegenwärtig stoßen Tierversuche vor allem dort, wo es wie bei der Kosmetikindustrie primär um Konsuminteressen und nicht um medizinische Belange geht, auf öffentliche Kritik.

 

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4. Tiere essen und Vegetarismus

Wenngleich in der Neuzeit eine allmähliche Entfremdung des Menschen von seinen Nutztieren festzustellen ist, hat die radikale quantitative Steigerung der Fleischgenusses dazu geführt, dass Menschen heutzutage sehr häufig mit diesen in Berührung kommen – allerdings als toten, zu Lebensmitteln verarbeiteten Wesen. Vor diesem Hintergrund entstanden schon im 19. Jahrhundert vegetarische Vereine, die das Verspeisen tierischer Nahrungsmittel, nicht zuletzt als eminente Manifestation der grauenvollen Tierquälerei, bekämpften. 1867 begründete der freireligiöse Pfarrer Eduard Baltzer den Verein für naturgemäße Lebensweise in Nordhausen, 1883 entstand die vegetarische Siedlung Oranienburg-Eden, 1901 kam es zur Gründung des Deutschen Vegetarier-Bundes. Obwohl der Tierschutz keineswegs das Hauptanliegen der meisten Vegetarier-Vereine war und ihre Argumentationen oft anthropozentrischen Charakters waren (beispielsweise die geläufige Behauptung, Tiermord führe zum Menschenmord), lässt sich auch hier eine radikalere Form des Tierschutzes erkennen, insbesondere wenn man die ethische und kulturkritische lebensreformische Orientierung des Vegetarismus in Betracht zieht. Die Begründung der vegetarischen Ernährung durch tierethische Argumentationen trat im Laufe des 20. Jahrhunderts verstärkt in den Vordergrund. Vegetarische Kritik in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, vermehrt mit der Tierrechtsbewegung verbunden, richtete sich im Wesentlichen gegen die Schlachtindustrie. Nichtsdestotrotz steht der Vegetarismus auch heute noch weitgehend mit Aspekten der privaten Sphäre in Verbindung. Neben dem Tierschutz haben Vegetarier vor allem ihre eigene Gesundheit oder die auf Selbstreform ausgerichtete Lebensführung des Individuums im Visier. Insofern handelt es sich primär um die Vermeidung der Tierquälerei im Bereich des Konsums und um eine auf die Verantwortlichkeit des Einzelnen eingeengte Tierschutzperspektive.

 

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5. Das Schächten

Neben der Vivisektionsfrage war das Schächten, die traditionelle jüdische Schlachtmethode ohne Betäubung des Tieres, wahrscheinlich das politisch markanteste Thema der Tierquälerei- und Tierschutzdebatten um die Jahrhundertwende. Die führenden Tierschutzvereine zogen ins Feld gegen diese praktizierte Tradition, in der sie eine extrem brutale Form der Tierquälerei zu erkennen meinten, die eine moderne zivilisierte Nation keinesfalls dulden dürfe. In erster Linie ging es ihnen auch hier um die vermeintliche Verrohung der Gesellschaft, indem z. B. die Schonung der feinen Gefühle anständiger Zuschauer beim Anblick des blutigen Aktes des Halsschnitts am lebenden Tier im Mittelpunkt gestellt wurde. Einige Petitionen, die durch die Verbände Ende des 19. Jahrhunderts eingereicht wurden, waren der Anlass zu heftigen Diskussionen im Reichstag und der damaligen Presse. Die jüdischen Gemeinden ihrerseits verteidigten vehement ihre Religionsfreiheit und setzten sich gegen die angebliche Verletzung ihrer Zivilrechte durch den Staat ein. Als etliche antisemitische Abgeordnete das Anliegen der Tierschutzorganisationen aufgriffen und es für ihre eigenen Interessen instrumentalisierten (hier fanden sie Unterstützung bei einigen Vertretern des radikalen Tierschutzes), verwandelte sich die Auseinandersetzung in ein politisches Gefecht um den Judenhass. Die Ablehnung der Initiative durch das Parlament gilt als eine erfolgreiche Beseitigung antisemitischer Tendenzen im Kaiserreich. Das Thema hat aber auch in späteren Zeiten ihre symbolische Kraft als Antisemitismusangelegenheit nicht verloren und wurde dann von den Nationalsozialisten neu entfacht. Erst wenige Wochen nach der Machtergreifung im April 1933 wurde die Schlachtung ohne Betäubung ausnahmslos verboten. Diese Vorschrift wurde wiederrum in der BRD aufgehoben; das deutsche Tierschutzgesetz von 1972 erwähnt das Schächten mit keinem Wort. Heutzutage liegt der Brennpunkt des Schächtensdiskurses nicht mehr in juden- sondern islamfeindlichen bzw. -kritischen Einstellungen. Ein kürzlich erlassenes Verbot in den Niederlanden entsprang diesem Kontext. In Deutschland macht vor allem die historisch begründete jüdische Konnotation eine ähnliche Gesetzgebung noch unmöglich.

 

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6. Vom Tierschutz zum Schutz einzelner Tierarten

Tierschutz war nie eine Pauschalsache. Die ersten Tierschutzvereine verstanden sich als Bekämpfer allgemeiner Tierquälerei, aber in ihre Perspektive wurden nur einzelne Tierkategorien einbezogen, allen voran die Haus- und in geringerem Ausmaß die Nutztiere. Im 19. Jahrhundert blieb der Schutz wilder Tiere fast ausnahmslos ohne Beachtung. Ende des Jahrhunderts machte die Ausdifferenzierung des Tierschutzes einen weiteren Schritt, als selbstständige Vereine zum Schutz spezifischer Tierarten gegründet wurden. Hierbei boten sich die Vögel als ideale Kandidaten an. Aufgrund der bürgerlichen Naturauffassung der zeitgenössischen Tierschutzbewegung waren Singvögel besonders geeignet. Für Tierliebhaber symbolisierten sie die Komponente des bürgerlichen Wertehimmels, wie z. B. Sauberkeit, Feinheit, Kernfamilienleben, hingebungsvolle Elternschaft, Häuslichkeit, Fleiß. Auch innerhalb der Vogelwelt ging die Ausdifferenzierung weiter. Einige Vogelarten wurden als nicht schützenswert deklariert, insbesondere die "aggressiven" Raubvögel und unter den Singvögeln die Sperlinge, die als laute, schmutzige und zu hemmungslosen Paarungsweisen tendierende Bestien berüchtigt waren. Diese Grenzziehung innerhalb des Tierreichs wurde dann auf die Gesellschaft übertragen: Die Vogelfreunde identifizierten die Vogelquälerei, nämlich das Fangen und Verspeisen von wandernden Singvögeln, mit den katholischen und bäuerlichen Einwohnern der Südländer, so dass der "barbarische" "italienische Vogelmassenmord" schnell zu einem dauerhaft und leidenschaftlich diskutierten Problem bei deutschen ornithologischen Gesellschaften wurde. Eine spezifische Form von Tierquälerei wurde dann mit einer bestimmten ethnischen und sozialen Gruppe in Verbindung gebracht.

 

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7. Die Massentierhaltung

Wie das Beispiel des Schächtens klarmacht, war die Tierquälerei bei der Nutztierhaltung schon im 19. Jahrhundert eine vieldiskutierte Frage. Eine neue Dimensionen des Quälens von Nutz- und Schlachttieren stellte aber die sich seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts etablierende Massentierhaltung dar. So werden derzeit in Westeuropa jährlich 200 Mio. Tiere geschlachtet. Diese intensive Tierzüchtung, deren Struktur grundlegend von jener der traditionellen bäuerlichen Tierhaltung abweicht, radikalisierte das Leiden von Tieren in bisher unbekanntem Ausmaß nicht aufgrund pathologischer Rohheit einzelner Personen, sondern vielmehr als Resultat der betriebswirtschaftlichen und farbrikmäßgen Produktionsweise, die charakteristisch für den Spätkapitalismus ist. Beinahe ausschließlich auf die potentielle und rational kalkulierte Wirtschaftlichkeit bedacht, lässt man in der Intensivhaltung die individuellen und artspezifischen Bedürfnisse der Tiere unberücksichtigt und gestaltet deren Lebensbedingungen dementsprechend. Unter den vielen Manifestationen des entstehenden Quälens sind die Überfütterung, das beschleunigte Wachstum und die Bewegungsverhinderung der gehaltenen Tieren anzuführen – hierbei fungieren die Gansmast und die Lagebatterien als bekannte Paradebeispiele. In Rahmen dieser an ihre Grenzen gelangten Machtausübung des Menschen über das Tier wird Letzteres zu einer reinen Ware, zu einem nach Belieben "manipulierbaren Hilfsmittel", herabgestuft. Die so genannte "biologische Tierhaltung", die als eine Art Rückbesinnung auf die einstigen bäuerlichen Methoden erachtet werden könnte, bietet in diesem Bereich einen tierschützerischen Ansatz. Wahrscheinlich noch effektiver wirkten sich die in letzter Zeit hervorgetretenen Seuchenausbrüche wie die Rinderpest, BSE oder die Vogelgrippe aus, die medial als Skandale behandelt wurden und vorübergehend zu sinkendem Fleischkonsum führten.

 

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8. PETA und die Tierquälerei als Medienphänomen

Ab den 1980ern gewann in Deutschland die "Tierrechtsbewegung" an Aufsehen und Einfluss. Diese orientierte sich im Gegensatz zum traditionellen Tierschutz nicht mehr anthropozentrisch und plädierte für die politische und gesellschaftliche Anerkennung der eigenen und vom Menschen unabhängigen Lebensrechte der Tiere. Folgerichtig lehnen die (zumindest radikaleren) Tierrechtler jede Form der Tierquälerei durch Menschen, in Tierversuchen, der Nutztierhaltung, Zoo und Zirkus, Stierkampf, Jagd und Fischerei etc. ab. Innerhalb der Bewegung ragt die aus den USA stammende und 1994 in Deutschland als Schwesterverband gegründete Organisation PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) heraus. In ihren Kampagnen, in denen besonders grelle Plakate wirkungsvoll eingesetzt werden, beabsichtigt PETA, die alltägliche Tierausbeutung ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Dabei strebt diese durchaus "Neue Soziale Bewegung" das grundsätzliche Umdenken der Haltung des Menschen zum Tier und die Destabilisierung gängiger Auffassungen bezüglich (der Inexistenz von) Tierrechte(n) an, nicht zuletzt indem sie die Unterschiede zwischen beiden fundamental verschwimmen lässt. In Deutschland kam die Botschaft von PETA in Kampagnen wie "Holocaust auf dem Teller" (2004), bei der Bilder aus Konzentrationslagern neben solche toter Tieren gestellt wurden, besonders schockierend und Unbehagen erregend an. PETAs Strategie, die nackte Realität der Tierquälerei anschaulich zu machen, geht angeblich einher mit einer gegenwärtigen medialen Tendenz, über Vorfälle "perversen" Tierquälens sensationell zu berichten. Manchmal sorgen solche Schlagzeilen für Aufruhr in der Öffentlichkeit, wie z. B. beim Fall des Katzenmörders aus München-Moosach (2011), als die Berichterstattung eine Demonstration lokaler Katzenhalter vor dem Haus des Täters auslöste. Mit dieser einflussreichen medialen Wende der Wahrnehmung der Tierquälerei wird sie zu einem durchweg erhitzten Diskurs eines die Gesellschaft stärker denn je bedrückenden Problems.

 

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Empfohlene Zitierweise: Amir Zelinger, Erinnerungsort "Tierquälerei", URL: http://www.umweltunderinnerung.de/index.php/kapitelseiten/geschuetzte-natur/53-tierquaelerei.