Die Lüneburger Heide
Kapitelübersicht - Geschützte Natur - Die Lüneburger Heide
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Wege der Erinnerung
Verwandte ThemenHeimat, Das Naturdenkmal, Worpswede, Der Regenwald, Die Laufenburger Stromschnellen
LiteraturWolfgang Brandes, „Wer dies Bild kommenden Geschlechtern erhielte, der täte ein großes gutes Werk". Die Entdeckung der Lüneburger Heide und die Gründung des Naturschutzparkes durch Anhänger der Heimatschutzbewegung, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte 78 (2006), 133-148.
Horst Brockhoff, Gisela Wiese, Rolf Wiese (Hg.), Ja grün ist die Heide... Aspekte einer besonderen Landschaft, Ehestorf 1998.
Henning Eichberg, Stimmung über die Heide. Vom romantischen Blick zur Kolonisierung des Raumes, in: ders., Götz Großklaus (Hg.), Natur als Gegenwelt. Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur, Karlsruhe 1983, 197-233.
Jens Ivo Engels, Naturpolitik in der Bundesrepublik. Ideenwelt und politische Verhaltensstile in Naturschutz und Umweltbewegung (1980-1950), Paderborn 2006, bes. S. 93-130.
Andrea Kindl, Die Lüneburger Heide. Fremdenverkehr und Literatur, Berlin und Hamburg 1993.
Fußnoten[1] Zitiert nach Walter Gröll, Zum Landschaftserlebnis der Heide, in: Horst Brockhoff, Gisela Wiese, Rolf Wiese (Hg.), Ja grün ist die Heide... Aspekte einer besonderen Landschaft, Ehestorf 1998, 133.
[4] So einer der Hauptanreger, Kurt Floericke (1909). Zitiert nach Gröll, Zum Landschaftserlebnis der Heide, 150.
[5] Zitiert nach Hansjörg Küster, Schöne Aussichten. Kleine Geschichte der Landschaft, München 2009, 90.
[6] Zitiert nach Rolf Lüer, Geschichte des Naturschutzes in der Lüneburger Heide, Niederhaverbeck 1994, 22.
[7] Zitiert nach Friedemann Schmoll, Erinnerung an die Natur. Die Geschichte des Naturschutzes im deutschen Kaiserreich, Frankfurt a. M. und New York 2004, 223.
BildnachweisLüneburger Heide. |
Nur wenige Landschaften in Deutschland sind so in deren spekulative Wahrnehmung eingebettet wie das im Nordosten Niedersachsens liegende Gebiet, welches als die "Lüneburger Heide" bekannt ist. Während des 19. und 20. Jahrhunderts und im Zuge der Entfaltung umweltbezogener Gedankenstränge wurde die Heide zu einem Raum, an den besonders intensiv mannigfaltige Sinngehalte geknüpft wurden. Die aufkommenden Heidevorstellungen beinhalteten überdies praxisbezogene Elemente im Bereich Naturschutz, welche 1921 in der Gründung eines der ersten deutschen Naturschutzgebiete gipfelten. Nichtsdestotrotz ist diese bedeutungsaufgeladene Landschaft immer wieder Gegenstand konkurrierender und strittiger Perzeptionen geworden, was nicht zuletzt an ihrer uneinheitlichen und dynamisch ausgebildeten physischen Zusammenstellung wie auch an deren diverser Nutzung liegt. Insofern ist die Lüneburger Heide ein Fallbeispiel für die Komplexität der Wechselbeziehungen zwischen einem real existierenden Raum und seiner imaginären Rezeption.
1. Vorgeschichte
Die Naturlandschaft "Lüneburger Heide", die in moderner Zeit als schützenswert aufgefasst wurde, stellt keineswegs reine Natur dar. Vielmehr geht es bei ihr um ein historisch von Menschenhand geschaffenes, d. h. anthropogen entwickeltes Stück Land. Dieses Land begann sich als Heide erst in christlicher Zeit zu formieren, ein Prozess, dem allein das landwirtschaftliche Betreiben einheimischer Bauern zugrunde lag. Insbesondere im späten Mittelalter haben diese die Waldflächen systematisch gelichtet, was hauptsächlich mit dem enormen Holzbedarf und -verbrauch der mittelalterlichen Wirtschaft zusammenhing. Die Entwaldung wurde zusätzlich beschleunigt, da die Bauern ihr Vieh in den Waldgebieten weiden ließen. Die Tiere fraßen die junge Vegetation, welche nach der Abholzung wieder zu wachsen begann, so dass der Wald sich nicht mehr zu regenerieren vermochte. So wurde eine einst dicht bewaldete Region zu einer steppenartigen und kilometerweit freigelegten Landschaft. Eine Heide dominerte jetzt das Landschaftsbild, in dem sich nur noch einzelne kleine Waldinseln befanden. Mit der Heidewerdung änderte sich naturgemäß auch die Pflanzenzusammensetzung des Ortes, in dem sich die später als einzigartig gepriesenen Heidepflanzen, wie das Heidekraut oder der Wacholder, ohne Konkurrenz von hohen Bäumen in Hülle und Fülle ausbreiten konnten. Auf die von ihr selbst verursachte neue Beschaffenheit des Landes passte sich die "Heidewirtschaft" an, was die Prävalenz typischen "Heideviehs", in erster Linie der berühmten Heidschnucken, zur Konsequenz hatte. Insofern lässt sich feststellen, dass die Kristallisierung des in späterer Zeit als schützenswert erklärten Gebiets als Heide fest an menschliche, sprich wirtschaftliche und soziale Faktoren geknüpft war.
2. Eine nordeuropäische Wüste
Die ersten aus der Neuzeit stammenden Reisebeschreibungen der Lüneburger Heide nahmen diese keineswegs als schöne Natur wahr. Vielmehr haben sie zumeist äußerst Negatives über das Gebiet zu berichten. 1666 schrieb Königin Christina von Schweden in Bezug auf die Heide: "Nachdem ich glücklich die Wüste durchquert habe, das übelriechende und wilde Deutschland [...]."[1] Im folgenden Jahrhundert wurde die Gleichsetzung der Heide mit einer arabischen Wüstenlandschaft mitten in Nordeuropa zu einem serienmäßigen Topos, so dass es nicht lange dauerte, bis man auch ohne weitere Ausführungen von der "verrufenen" bzw. "übel beschrienen Lüneburger Heide" zu sprechen begann. Die Beschreibungen machten immer wieder von Attributen wie "leer", "dürr", "eintönig" oder "öde" Gebrauch. Die beliebtesten Präpositionen sind "ohne" und "kein", so beispielsweise in einem Jugendbuch von 1823: "ein ödes, trauriges Stück Land, ohne Anhöhen, ohne Thäler, ohne Seen, ohne Bäche, ohne alles Laubholz. [...] Man erblickt da kein Haus, kein Wasser, keinen Menschen, kein Thier, selbst keinen Vogel."[2] Dass diese Landschaft als karg empfunden wurde, lag im Wesentlichen an einer zeitgenössischen utilitaristischen Haltung gegenüber der erlebten Natur. So wiesen die Reisenden oft auf die Unbequemlichkeit durch die "ordnungslose" Heide hin, auf die Unebenen oder das harte Unkraut, das das Fortfahren erschwerte und Kopfschmerzen auslöste; bzw. auf den Mangel von Wirtshäusern, die dem geplagten Passagier etwas Wohnlichkeit in diesem "unkultivierten" und "unfruchtbaren" Land hätten bereiten können. Diese Landschaft war keineswegs schön, sondern zuallererst unbehaglich.
3. Die Entdeckung einer romantischen Landschaft
Ende des 18. Jahrhunderts begann man allmählich die Heide mit neuen Augen zu betrachten. Bemerkenswert ist, dass fast dieselben Landschaftsmerkmale, die in früheren Zeiten gebrandmarkt, nun als schöne Natur perzipiert wurden. Die Leere, das Eintönige und das Nackte genossen jetzt eine ästhetische Umwertung, primär dadurch, dass man die Erfahrung der physischen Heidelandschaft mit innerlichen Regungen anreicherte. Es war die Zeit der Empfindsamkeit, die das Ansehen der Lüneburger Heide veredelte. Intellektuelle Reisende, welche eine neuartige, subjektive Erfahrung der natürlichen Umwelt an den Tag legten, erlebten nun die Heide emotional und in besonders intensiver und dramatischer Weise. Folglich löste die dürre und einsame Heide Gefühle der Unendlichkeit, der Tiefe und des Sakralen bei ihren schwermütigen Beobachtern aus, die in ihr allerhand märchenhafte Zaubereien und Phantasien zu erkennen glaubten, wie z. B. Hans Christian Andersen, einer der frühesten Heideverehrer (1831): "da wimmelte es von Elfen [...] die ganze Luft war voll von den wunderbarsten Gestalten [...] die ganze große Heide war eine Zauberwelt, voll von Wunderwerken."[3] Diese Poetisierung der Heide ging in das kollektive Bild ein und war durchaus einflussreich in den folgenden Jahrzehnten. Neben älteren romantischen malerischen Repräsentationen entwickelte sich um die Jahrhundertwende eine regelrechte Heideliteratur (in erster Linie ist hier Hermann Löns zu erwähnen), welche die Strömung der konservativen Heimatkunst vertretend, Natur und Leute der Region idealisierten. Diese ästhetisierte Form der Heide war auch im Rahmen der Bemühungen um die Gründung des Naturschutzparks von Bedeutung, als Schutzforderungen u.a. im Hinblick auf "die schwermütige Poesie, urwüchsige Kraft und edle Schönheit"[4] des Ortes erhoben wurden.
4. Naturlandschaft - Kulturlandschaft
1776 stellte der Schweizer Geologe Jean André de Luc, einer der ersten "Entdecker" der Schönheit der Lüneburger Heide, fest: "Man findet also hier einen Boden, der ganz unter den Händen der Natur geblieben ist."[5] In der erwähnten emotionalen Aufwertung der Heide spielte die Vorstellung urzeitlicher und unberührter Natur eine grundlegende Rolle. Ungeachtet der anthropogenen Evolution der heideartigen Landschaft, wollte man in derselben einen reinen und vom Menschen unbeeinflussten Naturraum erkannt haben. Die Nacktheit und die Einförmigkeit, welche sinngemäß Bewegungslosigkeit, Passivität und geschichtslose Stabilität suggerierten, animierten jene Vision, die in späterer Zeit auch den Naturschutzaspirationen zugrunde lag. So meinte bezeichnenderweise der Hauptakteur der Parkgründung Wilhelm Bode (1887): "Ein Stück unberührte, jungfräuliche Natur breitete sich vor dem Auge aus."[6] Dass es sich bei der Heide eigentlich um keine Wildnis, sondern eine Kulturlandschaft handelte, ließ man meist außer Acht, und so wurde sie zum Objekt lang andauernder Verklärung. Als die Erhaltung ihrer Eigenart angestrebt wurde, bezog man in jenes Bild auch menschliche und kulturelle Elemente mit ein. Im Zusammenhang patriotischer und völkischer Einstellungen wurde die dörfliche Heidekultur und Gesellschaft, die "altgermanischen", "altsächsischen", "heidnischen", bzw. "altertümlichen" Ursprungs erklärt wurde, ebenfalls als schützenswert angesehen, da auch sie als Teil jener einzigartigen Landschaft aufgefasst wurde. Diese Ansicht hatte zur Folge, dass nicht nur die Natur an sich, sondern auch "heidetypische" Bauweisen, (bäuerliche) Wirtschaftsformen und Familienstrukturen geschützt werden sollten, denn auch sie symbolisierten die ehrenwerte (naturmäßige) Urwüchsigkeit. Indem sowohl die Natur- als auch die Kulturlandschaft dehistorisiert wurde, sind beide unter dem Schirm des propagierten Schutzes eins geworden. Charakteristischerweise sprach Kurt Floericke (1910) über den Schutz von "Stücke(n) altgermanischer Urnatur."[7]
5. Ein Rückzugsort Hamburgs
Zusammen mit der intellektuellen und literarischen Aufwertung der Lüneburger Heide begann man sie auch in gesteigerter Form physisch zu erleben. Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Heide zu einem touristischen Hauptanziehungspunkt, speziell in Form des gerade zu dieser Zeit an breiter Popularität gewinnenden Wandern im Grünen. An Wochenenden stürmten abertausende Naturfreunde das Heidegebiet, zum größten Teil kamen sie per Sonderzug aus dem benachbarten Hamburg. Interessant ist, dass diese Freizeitbeschäftigung direkt mit dem rasanten Wachstum der Hansestadt zusammenfiel. Dies war kein Zufall. Denn gerade als Hamburg mehr und mehr zu einer hochzivilisierten Großstadt wurde, suchten viele kurzzeitige Fluchtmöglichkeiten von all den Elementen, die eine moderne Metropole ausmachen und die im zeitgenössischen Diskurs weitgehend als belastend empfunden wurden. Das heißt: je intensiver der Stadtbewohner durch Lärm, Rauch und Schmutz "Überzivilisation" erfuhr, desto mehr verlangte es ihn nach Stille, Frische und "Natürlichkeit". Hierbei bot sich die "Urlandschaft" der Lüneburger Heide als eine ideale ländliche Gegenwelt zur Großstadt an. Da die exorbitante Urbanisierung mit Natursehnsucht einherging, könnte man das Phänomen des Wochenendtourismus in der Heide auch als eine Kolonisierung derselben durch die Stadt bezeichnen. Mit den zahllosen ins Grüne ziehenden Heidewanderern weitete sich Hamburg sozusagen auch auf die bäuerliche Lüneburger Heide aus. Diese Sicht vertrat auch Richard Linde, der Verfasser eines populären landeskundlichen Buchs über die Heide (1904), in dem er behauptete, die Heide sei ein "hamburgischer Stadtpark". Die "Ausuferung" (Henning Eichberg) der Stadt aufs Land kam ferner darin zum Ausdruck, dass die unzähligen Touristen erhebliche Umweltschäden in der Landschaft hinterließen. An diesem Punkt hörte die Heide in gewisser Hinsicht endgültig auf, wahrlich unberührte und von der Zivilisation isolierte Natur zu sein. Die Spannung zwischen Naturschutz und touristischer Erschließung ist deshalb seither zu einem der Kernprobleme in der Wahrnehmung der Heide geworden.
6. Heideschutz
Die unversehrte Heide, die städtische Touristen um die Jahrhundertwende aufsuchten, hatte aber zu diesem Zeitpunkt ihre scheinbar jungfräuliche Form längst eingebüßt. Als im 19. Jahrhundert die Heidewirtschaft ihre Grenzen erreicht hatte und die Übernutzung der Heideflächen eine ökologische Krise herbeiführte, ergriff man Maßnahmen, die die Landschaft radikal wandelten. Denn ungeachtet der ästhetischen Hochschätzung für die landwirtschaftliche Branche, galt die Heide gerade jetzt als unfruchtbares Ödland. Um diesem Zustand entgegenzutreten wurde die gesamte Agrarstruktur umgestaltet und modernisiert. Hauptbestandteil des Projektes waren systematische Aufforstungen sowie die Ausweitung des Ackerlandes auf Kosten breiter Heideflächen, was die Landnutzung erheblich intensivierte und die Produktion wesentlich steigerte. Mit diesem Modernisierungsprozess stand das Gebiet vor der Bedrohung, seinen einzigartigen Heidecharakter zu verlieren und wieder Waldlandschaft zu werden. Vor diesem Zusammenhang entstand die Forderung, die Natur der Lüneburger Heide als ein Stück vormoderner Landschaft vor dem "Aufforstungs-Moloch" zu schützen. Der 1909 in München gegründete "Verein Naturschutzpark" übernahm diese Aufgabe als eine seiner ersten Unternehmungen, so dass seither dessen Name mit der der Lüneburger Heide fest verknüpft ist. Unterstützt durch staatliche Behörden und private Stifter, erwarb der Verein während der 1910er mehrere Grundstücke in der Heide für Konservationszwecke. 1921 wurden diese Flächen amtlich als Naturschutzgebiet erklärt. Bemerkenswert bei der Geschichte der Gründung des Naturschutzparkes war das Beharren der Protagonisten auf den Schutz vor menschlichen (technischen) Eingriffen in die Heidelandschaft. Wieder war es die Vorstellung eines unantastbaren Stücks Erde, das die Bewahrung einer in Wahrheit geschaffenen Kulturlandschaft in seinem "einstigen Zustande" anregte. Auch wenn am Ende ein Kompromiss zwischen Naturschutz und Tourismus, also zwischen "Naturschutzgebiet" und "Naturschutzpark" beschlossen wurde, war die Leitidee hinter dem Projekt "Natur Natur sein lassen". Man wollte unbedingt etwas Vergangenes bewahren, einen "Urzustand", der schlechthin als "natürlich" interpretiert worden ist und den die Heide so substanziell zu verkörpern schien.
7. Naturschutz gegen eine fremde Armee
Neben der Forstwirtschaft und dem Tourismus sollte die Lüneburger Heide vor einer dritten Macht geschützt werden, dem Militär. Denn die offene Heidelandschaft war als Truppenübungsplatz bestens geeignet. Schon im Kaiserreich wurden Teile der Heide entsprechend genutzt, was während der NS-Zeit erheblich intensiviert wurde. Die größte Gefahr bestand aber erst mit der militärischen Nutzung durch britische Panzertruppen nach dem Zweiten Weltkrieg, die das Übungsgelände sogar auf die Flächen des Naturschutzgebietes ausweiteten. Die Verheerung der Landschaft (später auch seitens der Bundeswehr) bis zum Ende des Kalten Kriegs war enorm. Diese Naturbelastung war allerdings auch Anlass einer Widerstandskampagne gegen die fremde militärische Präsenz in der jungen Bundesrepublik. Der VNP, unterstützt durch weitere Mitstreiter aus Politik und Gesellschaft, bestrebte abermals den Schutz der Heide vor fremdartigen Eingriffen, indem er die "Befreiung" des Heimatlandes angesichts "Demütigung" und "Zerstörung" desselben durch kolonisierende Faktoren proklamierte. Hier gingen Naturschutz und nationale Stimmung im besiegten Deutschland Hand in Hand. Die unantastbare Heideheimat war besonders dienlich als Inkarnation dieser Doppelvision.
8. Kontinuität und Musealisierung der Heide in der Nachkriegszeit
Das Weiterbestehen von Ideen wie der unberührten Erde und der schützenswerten Heimatlandschaft, die mit der Lüneburger Heide assoziiert wurden, war ausgesprochen markant in der Nachkriegszeit. Diese naturbezogene Kontinuität in Zeiten tiefgreifender Zäsur der deutschen Geschichte war hauptsächlich einem Mann zu verdanken: Alfred Toepfer. Der hoch angesehene und an Kontakten reiche "Kaufmann und Landwirt", dessen Vergangenheit in der NS-Zeit nicht unbefleckt geblieben war, war ab 1954 Vorsitzende des VNP und damit zum Hauptbeschützer der Lüneburger Heide geworden. Im Rahmen dieses Amtes integrierte er die Heide in sein bundesweites Programm der "Naturparke". Sein Leitgedanke lässt sich in dem Schema "Volksgesundheit durch Naturkontakt" zusammenfassen. Die durch ungesunde Lebensweise in hochmodernen Großstädten und von Zivilisationskrankheiten geplagte westdeutsche Gesellschaft der Wunderjahre sollte an Wochenenden eine gewisse Genesung in "ungestörten" Naturlandschaften finden – also "zurück zur Natur" finden. Diese Tourismusart, welche die soziale (Wieder)Stabilisierung in der Natur suchte, vertrat ein altbürgerliches Naturverständnis, in dem konservative Werte wie Ordnung, Sauberkeit und Disziplin im Vordergrund standen. Dementsprechend bemühte sich Toepfer um die Neugestaltung der Lüneburger Heide, diesmal unter dem Titel "Heidepark", als eine wahre vormoderne Natur- und Kulturlandschaft, frei von jeglichen Industrie andeutenden Objekten. Wiederum sollte die Heide in ihrer "ursprünglichen" Form konserviert werden. Neu war vielleicht nur ihre verstärkte touristische Vermarktung im Kontext der expandierenden Konsumgesellschaft, denn Toepfer setzte intensiv auf Öffentlichkeitsarbeit, die neben Zeitungsartikeln und Werbebroschüren die Heidschnucken in Form von Stofftieren in Kinderzimmern populär machen sollten. Mit dieser Kontinuität gestriger natur- bzw. heimatschützerischer Sichtweisen erreichte die Vorstellung der immergleichen und unveränderten Heide wohl ihren Höhepunkt. Bezeichnenderweise sprachen Kritiker mit dem Ausbruch der "Ära der Ökologie" in den 1970ern und angesichts der sich wandelnden Naturschutzauffassungen von der Konservierung einer "Museumslandschaft".
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