Vom Reformhaus zum Bioladen
Kapitelübersicht - Lebensweisen - Vom Reformhaus zum Bioladen
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Wege der Erinnerung
Verwandte ThemenSebastian Kneipp, Vegetarismus, Vollkornbrot, Biologisch-Dynamische Landwirtschaft, Obstbaukolonie Eden
LiteraturBaumgarner, Judith, Ernährungsreform, in D. Kerbs u. J. Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933. Wuppertal 1998.
Farkas, Reinhard, Alternative Landwirtschaft/Biologischer Landbau, in D. Kerbs u. J. Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933. Wuppertal 1998, S. ???.
Fritzen, Florentine, Gesünder Leben. Die Lebensreformbewegung im 20. Jahrhundert (Frankfurter Historische Abhandlungen 45). Stuttgart 2006.
Krabbe, Wolfgang, Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Göttingen 1974.
Radkau, Joachim, Die Verheißungen der Morgenfrühe. Die Lebensreform in der neuen Moderne, in Kai Buchholz u.a. (Hg.): Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Bd. 1. Darmstadt 2001, S. 55-60.
Ders., Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler. München 1998.
Rohkrämer, Thomas, Lebensreform als Reaktion auf den technisch-zivilisatorischen Prozeß, in Kai Buchholz u.a. (Hg.): Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Bd. 1. Darmstadt 2001, S. 71-73.
Fußnoten[1] Vgl. dazu Welt-Online: http://www.welt.de/print-wams/ article605303/Oekowahn-und- die-praktischen-Folgen.html [20.05.2012].
[4] Joachim Radkau, Die Verheißungen der Morgenfrühe. Die Lebensreform in der neuen Moderne, in Kai Buchholz u.a. (Hrsg.): Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Bd. 1. Darmstadt 2001, S. 55-60, hier: S. 58.
[5] Joachim Radkau, Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler,S. München 1998.
[6] Zitat aus: Radkau, Verheißungen, S. 59.
[8] In seinem Essay Mensch und Erde verurteilt Klages den vom Darvinismus propagierten "survival of the fittest".
[9] Radkau, Verheißungen, S. 56.
[11] Zum Verhältnis zwischen Lebensreform und Technisierung auch: Thomas Rohkrämer, Lebensreform als Reaktion auf den technisch-zivilisatorischen Prozeß, in Kai Buchholz u.a. (Hg.): Lebensreform. Entwürfe zur Neugestaltung von Leben und Kunst um 1900. Bd. 1. Darmstadt 2001, S. 71-73.
[12] Judith Baumgarner, Ernährungsreform, in Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933, S. 115-126, hier: S. 118.
[13] Baumgartner, Ernährungsreform, S. 119.
[14] Vgl. Fritzen, Gesünder Leben, S. 44..
[15] Vgl. Anzeigen, in Vegetarische Warte vom 8. Januar 1901, S. 24 und vom 23. Januar 1901, S. 48. Hier entnommen aus: Fritzen, Gesünder Leben, S. 44.
[16] Fritzen, Gesünder Leben, S. 51.
[19] Werner Altpeter, Was ist Lebensreform? Grundlegende Gedanken über sämtliche Gebiete der heutigen Lebensreform. Stuttgart 1939, S. 5. Hier zitiert nach: Fritzen, Gesünder Leben, S. 224.
[20] Freilich ging mit diesen Forderungen auch ein ökonomischer Nutzen einher, so kalkulierten die Nationalsozialisten, dass mit einem verringerten Fleisch-, Zucker- und Fettverbrauch auch finanzielle Einsparungen einhergingen.
[21] Neuform-VDR Fachblatt vom 18. November 1932, S. 217.
[22] Fritzen, Gesünder Leben, S. 220f.
[23] Neuform-VDR-Fachblatt vom 21. September 1935, S. 525f. Hier zitiert nach: Fritzen, Gesünder Leben, S. 223.
[24] Reinhard Farkas, Alternative Landwirtschaft/Biologischer Landbau, in Diethart Kerbs, Jürgen Reulecke (Hg.), Handbuch der deutschen Reformbewegungen 1880-1933, S. 301-317, hier: S. 302.
[26] http://www.gfk.com/imperia/ md/content/presse/pd_bio- lebensmittel_2008_dfin.pdf [Stand: 09.06.2012].
[27] Mehr dazu unter: http://www.bio-siegel.de/ [Stand: 22.05.2012].
BildnachweisFoto: Ein VW-Bus von Rapunzel Naturkost auf Werbetour in Tübingen 2005. |
Die einen nennen es "Bioboom", die anderen "Ökowahn"[1]: Fakt ist, dass seit Jahren das Interesse an alternativer Energie, ökologischem Anbau, Bio-Siegeln und "Fairtrade" wächst. War der Bioladen in den 80er Jahren noch als eine Nische der "Müslis" verschrien, so sind Bioprodukte aus unserer heutigen Konsumlandschaft kaum mehr wegzudenken. Selbst Discounter nehmen Produkte mit dem berühmten Bio-Siegel in ihr Sortiment auf. "Bio" ist offenkundig zu einem festen Bestandteil, ja einem identitätsstiftenden Merkmal eines modernen, umweltbewussten Lebens geworden.
1. Vorgeschichte
Die "Geburt" des Reformhauses lässt sich nur schwer auf ein bestimmtes Ereignis zurückführen. So war es die Stoßrichtung verschiedener lebensreformerischer Bewegungen, die das Bewusstsein gegenüber dem eigenen Körper und der Ernährung transformierte. Erscheint die Lebensreform angesichts ihrer heterogenen Strömungen zunächst als ein "sperriges und unüberschaubares Gebilde"[2], so lassen sich durchaus Gemeinsamkeiten erkennen. Alle Strömungen stellten den gesunden Körper und das gesunde Leben in den Mittelpunkt ihres reformerischen Interesses. Hiervon ausgehend sollte auch der "Volkskörper" gesunden. In besonderer Weise wurde das Reformhaus und die spätere Reformwarenwirtschaft durch den Vegetarismus [Link: Vegetarismus] und die Naturheilkunde beeinflusst. Der Vegetarismus in Deutschland entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts und orientierte sich zunächst stark an englischen Vegetariervereinigungen wie der "Vegetarian Society" in London. 1892 schließlich wurde der "Deutsche Vegetarier-Bund" als Dachverband gegründet. Vegetarier und Naturheilkundler begannen sich vor dem Ersten Weltkrieg untereinander zu vernetzen – der "Deutsche Bund der Vereine für naturgemäße Lebens- und Heilweise" wurde 1900 ins Leben gerufen. Die zunehmende Institutionalisierung und Vernetzung dieser Bewegungen festigten lebensreformerische Diskurse über ein "naturgemäßes Leben" und einen "gesunden Körper". Auf diese Entwicklungen folgte ein Echo aus Reihen der Ladeninhaber, die Reformnahrung und -kleidung anboten. Auch sie stellten vor dem Ersten Weltkrieg erste Vernetzungsversuche an; Reformwarenunternehmen folgten schon bald. Passend spricht Wolfgang Krabbe von der "Kommerzialisierung einer Weltanschauung".[3]
2. Die Lebensreform der neuen Moderne – Wege und Irrwege der Forschung
Eine Reform setzt immer ein Übel, einen kollektiv empfundenen Missstand voraus. Doch was war jenes Über, aus dem sich die Lebensreform in all ihren Ausprägungen speiste? Joachim Radkau glaubt, das eine zentrale Leidenserfahrung aller Lebensreformer auf das "nervöse Zeitalter" zurückzuführen sei.[4] Kaum ein anderer Diskurs beherrscht die Zeit um 1900 so sehr wie der um die Nerven.[5] Nicht ohne Grund ermahnt Kaiser Wilhelm II seine Marinekameraden 1910: "Der nächste Krieg und die nächste Seeschlacht fordern gesunde Nerven von ihnen. Durch Nerven wird entschieden."[6] Die allgemeine Nervosität der Deutschen, die als "bedrohliche Epidemie" empfunden wurde, wurde zum Katalysator neuer Naturheilverfahren, Ernährungsreformen und Körperkulturen. Betrachtet man gegenwärtige Tendenzen stresssymptomatischer Krankheiten wie "Burn Out", so erscheint uns die Leidenserfahrung um 1900 als eine außerordentlich moderne.[7] So eingängig die Lebensreform von Historikern untersucht wurde, so sehr haben sich spezifische Deutungsmuster in diese Bewegung eingeschrieben, die einer kritischen Reflexion bedürfen: Häufig wurde auf der Basis der "Kontinuitätslinie Lebensreform – Nationalsozialismus" argumentiert. Deutungen, die den Natur- und Körperkult um 1900 jedoch als Wegbereiter des nationalsozialistischen Sozialdarwinismus' erachten, verkennen, dass Lebensphilosophen wie Ludwig Klages den Darwinismus als "Irrlehre" verurteilten[8], und auch populärdarwinistische Schriftsteller wie Wilhelm Bölsche nicht den Kampf, sondern die Liebe und Sexualität in der Natur betonten.[9] Darüber hinaus gilt es die dichotomisierende Frontstellung zwischen Lebensreformern und der wilhelminischen Gesellschaft zu hinterfragen: War das Kaiserreich grundsätzlich ablehnend der Lebensreform gegenüber eingestellt? Joachim Radkau findet darauf eine klare Antwort: "In Wahrheit gehörten Lebensreform und Wilhelminismus innerlich zusammen – es hat seine Bedeutung, wenn der Monte Verità in den 20er-Jahren von dem Bankier des gestürzten Kaisers aufgekauft wird und wenn dieser die Tradition in gewissen Sinne fortsetzt. Die Auseinandersetzung mit der Zeitkrankheit Nervosität war ein Leitmotiv nicht nur der Reformer, sondern der wilhelminischen Kultur insgesamt."[10]
3. Konsumwandel, Ernährungsreform und Vegetarismus
"Der Mensch ist, was er isst" – diese Erkenntnis lässt sich bereits in den Schriften des Hippokrates (460-377 v. Chr.) wiederfinden. Dass eine natürliche, gesunde Ernährung vor allem im 19. Jahrhundert im Zentrum lebensreformerischer Gruppen stand, kann nur vor dem sozioökonomischen Hintergrund des 19. Jahrhunderts verstanden werden. Agrarrevolution, Technisierung und die gesamte Industrialisierung des Lebensmittelsektors hinterließen auch ihre Spuren im Konsumverhalten der Menschen.[11] Das Nahrungsgefüge verschob sich von einer kohlehydrat- und ballaststoffreichen, hin zu einer fett- und eiweißreichen und damit ballaststoffarmen Ernährung; hinzu kamen chemische Zusätze zur Konservierung und Bearbeitung der Lebensmittel. Dieser tiefgreifende Konsumwandel provozierte Ernährungsreformer, die das neue Nahrungsangebot als Ursache für eine Fehl- und Mangelernährung sahen und gleichsam eine natürliche und gesunde Lebensweise postulierten. Die zentralen Forderungen der Ernährungsreformer lassen sich laut Judith Baumgartner mit drei Schwerpunkten zusammenfassen: Erstens Einschränkung des Fleischkonsums, zweitens Konsum möglichst frischer, unbearbeiteter Lebensmittel und drittens die Verwendung von Vollkornprodukten.[12] Freilich riefen die ernährungsreformerischen Bestrebungen auch Kritiker hervor, insbesondere Vertreter der wissenschaftlichen Ernährungslehre wie Carl Voit (1831-1908) oder Max Pettenkofer (1818-1901), deren Theorie postulierte, dem Körper möglichst viel Eiweiß zuzuführen. Die "Pioniere der Ernährungsreform"[13] hätten heterogener nicht sein können: Der Psychologe Carl Gustav Carus (1789-1869) führte in seinem Werk "Lebenskunst" die Zivilisationskrankheiten auf die umgreifende Mangelernährung zurück; der Apotheker Theodor Hahn (1824-1848) war Gründer der Naturheilanstalt "Obere Waid", die eine rein vegetarische Kost propagierte; der Diätlehrer und Naturheilkundler Gustav Schlickeysen (1843-1893) wies den Menschen in seinem ersten Buch "Obst und Brod" als reinen "Fruchtfresser" aus; der Ernährungswissenschaftler Maximilian Oskar Bircher-Brenner (1867-1939) begründete eine eigene Ernährungslehre, die als "Lichtlehre" oder auch "Sonnenlichttherapie" bekannt wurde. Die Ernährungsreform trieb also weite Früchte. Nicht selten gingen die Forderungen der Ernährungsreformer Hand in Hand mit denen des Vegetarismus, der Naturheilkunde und der Abstinenzler.
4. Von Reformhäusern zur Reformwarenwirtschaft
Die Geschichte des Reformhauses ist aufs engste mit seiner Ware, der Reformnahrung, verbunden. Darin liegt jedoch genau das Problem: Was genau eine Reformware sei, war um 1900 nicht genau festgelegt. Es habe bloß – so Florentine Fritzen – eine ungefähre Vorstellung von Natürlichkeit, das heißt von einer möglichst geringen Verarbeitung des Rohmaterials gegeben.[14] Dennoch geben verschiedene zeitgenössische Fachzeitschriften Hinweise auf den Ursprung der Reformhäuser. Die Vegetarische Rundschau vom Oktober 1887 wirbt mit den Waren des "Kauf- und Versandhauses Carl Braun", das im selben Jahr am Kottbusser Damm in Berlin gegründet wurde. Zu seinem Sortiment zählten Wickel und Wolldecken, gesundheitliche Kleidung, Sandalen, Reformbetten, Schrotmühlen sowie naturheilkundliche und vegetarische Literatur.[15]
5. Das Reformhaus im Nationalsozialismus
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg schrieb der Schriftsteller Werner Altpeter über den Sinn und Zweck der Lebensreform: "Alle Lebensreform hat im nationalsozialistischen Staat den Zweck, die Volksgesundheit und damit Wehrfähigkeit, Gebärfähigkeit und Leistungsfähigkeit zu steigern."[19] Vor diesem ideologischen Hintergrund sollte das Reformhaus im Dienst des „deutschen Volkskörpers" stehen, den es zu erhalten und zu kräftigen galt. Doch nicht nur kurz vor Kriegsausbruch, bereits im Jahr 1933 lässt sich eine erstaunliche Wechselwirkung zwischen der nationalsozialistischen Ideologie und der Reformwarenbranche erkennen: Inhaltliche Forderungen der Ernährungsreformbewegung ließen sich gut mit beliebten Topoi der nationalsozialistischen Rhetorik vereinen. So sollten Lebensmittel möglichst fettarm und ballaststoffreich sein und auch Genussmittel galt es zu meiden, wie es Reichsorganisationsleiter Robert Ley Anfang 1939 in seinem Ausruf "Kampf gegen die Genußgifte" auf den Punkt brachte.[20] Darüber hinaus betonte die Genossenschaft Neuform-VDR in ihren Fachblättern verstärkt den Verkauf "deutscher Früchte" in Reformhäusern und lobte das Roggenvollkornbrot als "deutsches Produkt".[21] Und auch die Beiträge in den Kundenzeitschriften des Neuform-VDR wurden zuweilen deutlich vom Sozialdarwinismus der Nationalsozialisten angeregt. Im Juli 1934 schrieb Werner Altpeter in der Neuform-Rundschau einen Artikel über "Die Nase als Charaktermerkmal", der durch eine Grafik mit verschiedenen nationalen Nasentypen ergänzt wurde.
6. Von biologisch-dynamischen Experimenten zu Biobauern
Nimmt man die Genese des Reformhauses in den Blick, so muss man auch die alternative Landwirtschaft berücksichtigen. So konstatiert Reinhard Farkas eine "herausragende Wechselbeziehung" der alternativen Landwirtschaft zur "Infrastruktur der Gesundheits- und Ernährungsreform." Die Reformhäuser bildeten in diesem Zusammenhang "wichtige Absatzstellen".[24]
7. Das Reformhaus – der "Bioladen avant la lettre"?
Bioladen und Reformhaus werden im Alltag beinah synonym verwendet, verkaufen sie doch Produkte, die sich von der konventionellen Lebensmittel- und Konsumindustrie unterscheiden. Doch allein die Begriffsgeschichte verrät, dass beide auf unterschiedlichen historischen Prozessen fußen: Im beginnenden 20. Jahrhundert, der Zeit, in der die ersten Reformhäuser entstanden, hat niemand von "biologischem Anbau" – geschweige denn von "Bioprodukten" – gesprochen. Der Bioladen, so wie wir ihn heute kennen, ist ein Produkt der jüngsten Zeitgeschichte; das Reformhaus hingegen wurde aus der Lebensreformbewegung der Jahrhundertwende geboren. Demnach wäre es auch verkürzt, das Reformhaus als den Bioladen avant la lettre zu definieren. Die Produkte des Reformhauses tragen noch immer lebensreformerische Spuren. So orientieren sie sich vor allem an ernährungsphysiologischen Kriterien, an einer möglichst "natürlichen" Herstellung, die frei von "künstlichen" Stoffen ist. Dass die Produkte des Reformhauses ein Biosiegel tragen, ist im Gegensatz zum Biomarkt nicht unbedingt notwendig.
8. Bioboom
Der Gang durch die deutschen Supermärkte – egal ob Bioladen oder Discounter – lässt keinen Zweifel daran, dass "Bio" eindeutig im Trend liegt. Und auch die Lebensmittelindustrie, Werbebranche und Gastronomie setzt auf die suggestive Kraft von "Bio" und "Öko". Obwohl die Organisation "foodwatch" den Bioboom als eine "Mär" bezeichnet – lag doch der Marktanteil der Bioprodukte an der Lebensmittelproduktion im Jahr 2006 gerade mal bei 4 Prozent – so kann man dennoch ein gesteigertes Interesse an biologisch erzeugten Produkten in unserer Gesellschaft erkennen. Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsum-Forschung (GKF) sollen im Jahr 2007 rund 90 Prozent aller deutschen Haushalte mindestens ein Bio-Produkt gekauft haben.[26] Dass "Bio" mehr als eine bloße Worthülse bleibt, soll durch die Biosiegel der Europäischen Union sichergestellt werden. Das seit dem 01. Juli 2010 neu eingeführte EU-Bio-Siegel[27] weist zwar die gleichen inhaltlichen Kriterien auf wie das alte, ist jedoch für alle verpackten Bioprodukte, die innerhalb der EU hergestellt wurden, verpflichtend. Es soll zertifizieren, dass das jeweilige Produkt gemäß der EU-Öko-Verordnung hergestellt wurde. Neben diesem allgemeinen EU-Siegel, werden Bioprodukte auch durch nationale Logos oder private Siegel – u.a. Demeter oder Bioland – gekennzeichnet, die ihrerseits z.T. weitaus strengere Produktionskriterien aufweisen. Dennoch: Ist "Bioboom" der Weisheit letzter Schluss? – Nein! Würden kritische Stimmen sagen. Warum soll ich in Plastik verpackte Biotomaten aus Spanien kaufen, wenn ich genauso gut in den Gemüseladen meines Vertrauens gehen kann? Diese berechtigte Frage stellen sich viele – insbesondere globalisierungskritische – Konsumenten. Einen Ausweg aus diesem Problem bietet der sich abzeichnende Konsumtrend hin zu lokal erzeugten Lebensmitteln, die vielleicht nicht genau den Kriterien der EU-Öko-Verordnung entsprechen, jedoch unmittelbar aus der Umgebung stammen. Dass in Zeiten der Globalisierung die Lebensmittel-Frage nicht nur eine der "korrekten" Produktion ist, wird immer deutlicher.
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